ZANG TUMMM TUMB ARTICLES “the first draft of history”

FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD
Vier Re-Releases
REPERTOIRE

Umfassender Rückblick ins Clubland der Mittachtzigerjahre mit Frankie.

Den Hamburger Reissue-Spezialisten Repertoire ist erneut ein großartiger Coup gelungen. Nach und nach erscheint der komplette Output des in den 80er Jahre nicht unumstrittenen britischen Independent Labels ZTT (u.a. Propaganda, Art Of Noise). Den Anfang machen vier hervorragend aufgemachte Alben von Frankie Goes To Hollywood. Den Liverpoolern war 1984 ein spektakulärer Start ins internationale Popbiz gelungen. Hinter dem wohl kalkulierten Erfolgskonzept, dem Kritiker der Formation Hype der allerhöchsten Stufe vorwarfen, steckten das frühere Buggles-und Yes-Mitglied Trevor Horn sowie der gewiefte Ex-Journalist Paul Morley. Das eingeschworene Team, Besitzer des unabhängigen Plattenlabels ZTT, nutzte clever die Marktmechanismen. Frankie Goes To Hollywood brachen sämtliche damals gängigen Verkaufsrekorde und generierten sich mit den beiden offen als homosexuell geouteten Aushängeschildern Holly Johnson und Paul Rutherford sowie kontroversen heißen Eisen wie Krieg, Sex, Liebe und Religion zum Tabubrecher Nummer 1. Doch der oft gemachte Vorwurf, dass die Bandmitglieder nur Marionetten an den Fäden ihrer beiden Svengalis gewesen seien, stimmt nur bedingt: Frankie Goes To Hollywood existierten seit 1980 in der schwulen Subkultur, Englands und hatten es ganz ohne fremde Hilfe zu einem Auftritt in der damals populären britischen TV-Musikshow „The Tube” gebracht. Das wiederum rief Horn und Morley auf den Plan. Im Juli 1983 steckten sie die gar nicht mehr so jungen Pop-Eleven in Horns hyperprofessionelles Studio und polierten zum Teil zwei Jahre altes Material in wuchtigen Arrangements mit gigantischer Produktionstechnik auf. Der Lohn der Mühe ließ eine Weile auf sich warten: Das schon in den Schwulenclubs kursierende zweideutige „Relax” etablierte sich erst nach mehreren Anläufen, lieferte sich aber im Juni 1984 mit der zweiten Frankie-Single „Two Tribes” ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten und zweiten Platz der UK-Charts. Dieses an die Beatles erinnernde Phänomen diente als Startrampe für einen weltweiten Hitreigen, der bis zum Ende der Gruppe 1987 andauern sollte. Glanzlicht der vier zum Teil mit Bonus-tracks bestückten, digital hervorragend bearbeiteten Scheiben ist der auch heute noch wenig angestaubt wirkende Longplayer WELCOME TO THE PLEASUREDOME ☆☆☆☆. Darauf enthalten ist eine weitere Nummer-1-Single: die kurz vor Weihnachten 1984 ausgekoppelte Ballade „The Power Of Love”.

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Geschmackvolle Interpretationen von Burt Bacharachs „Do You Know The Way To San Jose?”, Bruce Springsteens „Born To Run” oder Gerry & The Pacemakers „Ferry Cross The Mersey” zeugten zudem von Eleganz, Stil und Musikalität. Kernstück des Albums ist jedoch der pulsierend-treibende Titelsong — damals wie heute ein todsicherer Renner in den Clubs. Nicht ganz den Standard des sensationellen Einstands konnte der 1986 erschienene Nachfolger LIVERPOOL ☆☆☆ halten. Zu sehr plagiierten und parodierten Frankie Goes To Hollywood mit Songs wie „Warriors Of The Wasteland”, „Rage Hard” oder „Watching The Wildlife” sich seiber. Den ganzen Krampf der in den Mittachtzigern unglaublich angesagten Maxi-Single-Remixe darf sich der wehmütig zurück-blickende Fan mit der Kollektion RELOAD — FRANKIE: THE WHOLE 12 INCHES ☆☆ erneut einverleiben. In überlanger Künstlichkeit paradieren beispielsweise gleich drei unterschiedliche Fassungen des Superhits „Relax” und ein ebenso oft verarbeitetes „Welcome To The Pleasuredome” am Hörer vorüber. Für den heimlichen Eighties-Afficionado bietet sich dann noch der übliche Querschnitt durch den Gemüsegarten in Form von BANG — THE GREATEST HITS OF FRANKIE GOES TO HOLLYWOOD ☆☆☆☆ an — alle Hits, aber auch relevante Alben-Tracks von Holly Johnson und Co. kompakt auf einer CD zusammengestellt. (mik)

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