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Frankie setzen auf lust und liebe

Faustdick hinter den Ohren haben es Holly und Paul (l.) — da braucht man sich nur das Cover (o.) ihrer neuen Doppel-LP anzuschauen.

Die Schießerei hat aufgehört. Die Kriegsphase liegt vorläufig hinter ihnen. Jetzt gehts bei „Frankie goes to Hollywood” wieder um menschliche Emotionen, die sich hauptsächlich im Bett abspielen.

Die Albumhülle für die neue Doppel-LP „Welcome to the Pleasure Dome” (Pleasure Dome nennt man in England die männliche Eichel) strotzt nur so von Andeutungen zum Thema Lust und Liebe. Selbst die Tiere treibens wild durcheinander. Hier und da verdecken Kleeblätter das Ärgste. Holly engagierte für die Albumhülle einen guten Freund aus Liverpool, den Grafiker Lawrence Cole.

Warum dieser plötzliche Umstieg von der Kanone aufs Sexuelle? „Weil das Leben vielfältig ist und wir nicht auf der Stelle treten”, sagt Paul Rutherford kurz vor Antritt der Frankie-Tournee durch Kanada und Amerika.

„Wir nehmen unsere Texte längst nicht so ernst, wie sie oft aufgefaßt und interpretiert werden.”

Die Frankie-T-Shirts mit den berühmten Slogans kann Paul nicht mehr sehen. „Alles, was davon jetzt noch auf dem Markt erscheint, sind Plagiate”, schimpft er.

Ihre Armee-Uniformen, die Medaillen aus dem Zweiten Weltkrieg und ihre Wasserpistolen packten sie für Kanada und Amerika noch mal ins Handgepäck: Am 30. Oktober fuhren sie im Panzer, gefolgt von mehreren Jeeps in Tarnfarben, zum größten Kaufhaus von Toronto, um Autogramme zu verteilen.

Für den 6. November dachten sie sich einen ganz besonderen Knalleffekt aus: Fast in Reich- und Hörweite von Präsident Reagan standen sie am Abend des Wahltages auf den Brettern des Ontorio-Theaters in Washington und bleckten die Zähne: Sie brüllten ihre Anti-Kriegs-Songs noch mal gründlich quer über den gepflegten Rasen des Weißen Hauses.

In England und Europa singen Frankie vorläufig wieder mehr von Liebe und Lust. Im Frühjahr wollen sie eventuell eine Tournee durch Europa machen. „The Power of Love” (Die Macht der Liebe) heißt die neue Single, die soeben erschienen ist, ausgeklinkt aus dem Album.

Nach der Tournee durch Amerika, wo sie Hallen mit bis zu 3000 Fans füllen, wollen Frankie erst mal geschlossen in Urlaub. Dazu Paul: “Bisher hatten wir noch keinen. Zuerst wars Geldmangel, dann die Arbeit, die uns davon abhielten.”

Paul und Holly planen einen Japan-besuch ein: Sie wollen sich die Geishas aus der Nähe ansehen. In Amerika will Paul seine älteren Schwestern Maureen und Carole besuchen, die in St.

(cont.)
Louis und Kalifornien leben, bzw. will er sie in die Konzerte nach San Francisco und Los Angeles holen.

Privat haben sich Paul und Holly inzwischen ganz im Londoner Distrikt Fulham (Südwesten) niedergelassen: Sie wohnen Tür an Tür, aber in getrennten Appartements. „In unserer Freizeit sehen wir wenig voneinander”, behauptet Paul. Wo sie sich einkleiden, wer ihnen in Klamattenfragen zur Seite steht, will Paul nicht verraten: „Dann äfft uns wieder jeder nach”, befürchtet er und nennt dabei sogar einen Namen: „Marilyn zum Beispiel”. Nein — auf die billigen Märkte in der Kings Road gehen sie nicht mehr: „Wir sind jetzt ziemlich vornehm und kaufen nur noch Klamotten von Modeschöpfern wie Louis Feraud und Christian Dior oder allenfalls noch Karl Lagerfeld”, blödelt Paul …

Margit Rietti