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Paul Humphreys (ex-OMD) im Interview mit Gothic Online

Mit Paul Humphreys (ex-OMD) und Claudia Brücken (ex-Propaganda) haben sich ein begnadeter Musiker und eine großartige Sängerin zusammengefunden, die über mehr als 20 Jahre Erfahrung in der Musikwelt verfügen und diese nun vereinen. Ihre neue Band ONETWO steht nach einer bereits erschienenen EP mit dem Debut-Album „Instead” in den Startlöchern, um mit intelligent komponiertem und atmosphärisch inszeniertem Elektronik-Pop viele Herzen im Sturm zu erobern. Gothic-Online sprach im Rahmen der „Night of the Proms” in München mit Paul Humphreys, der dort einen Auftritt mit OMD absolvierte.

Felix (GO): Welchen Stellenwert haben die Reunion-Shows mit OMD für dich? Wirst du Songs für zukünftige Veröffentlichungen schreiben oder hat Onetwo oberste Priorität?

Paul Humphreys: Im Moment hat Onetwo meine volle Aufmerksamkeit und wir stecken schon mitten in den Planungen für das zweite Album. Shows wie die „Night of the Proms” sehe ich als Möglichkeit, mich wieder etwas an die Live-Auftritte mit OMD zu gewöhnen. Schließlich feiern OMD nächstes Jahr den 25. Geburtstag, der natürlich auch in entsprechendem Rahmen mit Konzerten und Festivals gefeiert werden soll. Der Organisator von der Night of the Proms ist ein Freund von Andy und mir — er fragt uns seit Jahren, ob wir nicht einmal auftreten wollen, und wir haben ihm immer eine Absage erteilt. Als wir ihm dieses Jahr zusagten, ist er fast von seinem Stuhl gefallen, weil er damit gar nicht mehr gerechnet hat. Bei diesen gelegentlichen Shows bleibt es aber vorerst auch, da ich mich ganz auf Onetwo konzentrieren will.

FELIX (GO): Glückwunsch zur Fertigstellung des neuen Onetwo-Albums “Instead”. Die Songs sind schon seit einiger Zeit produziert und gemastered, warum hat es dennoch so lange gedauert, bis ein Veröffentlichungstermin feststand?

PH: Nun, es gab zwar einige Angebote von Major Labels, aber wir trafen letztlich die Entscheidung, das ganze selbst aufzuziehen. Viele von den großen Plattenfirmen haben derzeit stark zu kämpfen und besonders Musiker in meinem Alter werden nur wegen ihrem Namen und ihrer Geschichte unter Vertrag genommen. Sie bekommen ein paar Wochen Aufmerksamkeit, werden aber schnell wieder abserviert wenn es nicht so läuft wie erwartet. Das habe ich schon bei einigen Bands mit ansehen müssen. Wir haben dann Kontakt mit Daniel Miller von Mute Records aufgenommen, der ein guter Freund von mir ist. Er gab mir den Rat, dass wir unser eigenes Label gründen sollen und versprach gleichzeitig, uns dabei personell unter die Arme zu greifen.

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Ebenfalls von Vorteil war es, dass ich nach meinem Ausstieg bei OMD schon Erfahrungen als Labelchef gesammelt hatte. Ich kann auf viele Dinge zurückgreifen, die ich damals gelernt habe, und sie zum Vorteil für Onetwo nutzen. Insgesamt lief dann auch alles sehr gut, aber es dauerte eine Weile, um diese ganzen Schritte in die Wege zu leiten. Das eigentlich schon fertige Album konnte also noch nicht veröffentlicht werden, weil wir mehrere Monate mit den Business-Aspekten beschäftigt waren. Weihnachten rückte immer näher und es wurde uns von vielen Seiten geraten, nicht gerade zu dieser Zeit „Instead” auf den Markt zu bringen, um in der Menge der Veröffentlichungen nicht unterzugehen. Also haben wir uns schließlich für Februar 2007 entschieden.

FELIX (GO): Wie würdest du die Musik von Onetwo jemandem beschreiben, der dich nur aus deiner OMD-Zeit kennt?

PH: In gewisser Weise ist es eine Rückkehr zu meinen elektronischen Wurzeln. OMD wurde zum Ende der 80er hin immer experimenteller, während sich Onetwo wieder deutlicher von deutscher elektronischer Musik im Stil von Kraftwerk beeinflusst zeigt. Somit kann man den Sound wohl am treffendsten als eine Mischung aus frühen OMD und Propaganda-Einflüssen, die Claudia mit in die Band gebracht hat, beschreiben. Aber wir haben die Songs in ein sehr zeitgemäßes Gewand gepackt, da wir unter gar keinen Umständen ein Album aufnehmen wollten, dass nach den 80ern klingt.

FELIX (GO): Mit Martin Gore von Depeche Mode und Gary Lucas habt ihr bei den Songs “Cloud 9" und “A Vision in the Sky” zwei prominente Musiker ins Songwriting eingebunden. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

PH: Mit Martin bin ich seit Jahren befreundet, wir kennen uns noch von den gemeinsamen Touren von OMD und Depeche Mode. Claudia kannte ihn auch schon lange bevor ich begann mit ihr Musik zu machen. Sie hatte dann diese Idee für „Cloud 9", wusste aber nicht recht, wie sie sie verwirklichen sollte. Also hat sie überlegt, wer ihr dabei helfen könnte und schließlich Martin angerufen, der auch dazu bereit war. Und das ist in der Tat etwas besonderes, denn Martin hat vorher noch nie wirklich als Co-Writer fungiert, da er eher als Eigenbrödler bekannt ist. Daher bedeutet uns das sehr viel. Bei Gary Lucas war es so, dass er im Internet auf uns gestoßen ist und fragte, ob wir nicht Interesse hätten, für einen Song mit ihm zu arbeiten. Wir waren natürlich begeistert, da Gary eine Legende ist. Also hat er uns diese genialen Gitarrenspuren geschickt und wir haben um diese herum den Song gebaut.

FELIX (GO): Als Claudia und du die Songs für „Instead” geschrieben habt, gab es da eine klare Arbeitsaufteilung? Warst du für die Musik zuständig und sie für Gesang und Texte? Oder wart ihr im ständigen Austausch über eure Ideen und Vorstellungen?

PH: Es war schon so, dass ich mich mehr auf die Musik konzentriert habe und Claudia auf die Lyrics, aber es gab immer Überschneidungen. So hat Claudia einige Keyboardpassagen geschrieben und ich habe einige Veränderungen an den Lyrics vorgenommen. Es war eine enge Zusammenarbeit und wir haben immer gemeinsam über die Themen entschieden, über die wir schreiben wollten. Also wurden Ideen gesammelt und sich wieder zusammengesetzt. Nach dem Motto „Das ist gut und das sollten wir etwas abändern.” Aber generell haben wir uns auf einer Ebene bewegt, was das Arbeiten sehr angenehm gestaltet hat.

FELIX (GO): Wie kam es zu der Idee mit dem einzigen deutschen Song („Kein Anschluss”) auf dem Album?

PH: Für mich war es in gewisser Weise ein persönliches Anliegen, da ich ein großer Kraftwerk Fan bin und immer deren deutschsprachige Alben den englischsprachigen vorzog. Ich wollte schon lange einen deutschen Song aufnehmen und habe zu Claudia gesagt: lass uns das jetzt einfach durchziehen. Sie schrieb die kompletten Lyrics, und die Musik ist in gewisser Weise eine Hommage an Kraftwerk — mit einigen versteckten Referenzen.

FELIX (GO): Eure erste Veröffentlichung, die “Item” EP, habt ihr damals nur über Ebay verkauft. Was führte zu der Entscheidung, „Instead” in einem größeren Rahmen zu vertreiben?

PH: Item war mehr ein Experiment um mit Onetwo aus den Startlöchern zu kommen. Wir verfügten schon über ein paar Songs, die Claudia und ich aber eigentlich für andere Bands geschrieben hatten. Zum Beispiel ein paar Stücke für Propaganda, die nie den Weg an die Öffentlichkeit gefunden haben. Also überlegten wir, was wir mit den Songs machen sollten. Wir hatten einen Freund, der ein hohes Tier bei Ebay ist, und er sagte: „Hey, warum veröffentlichen wir das Material nicht einfach über Ebay und schauen was passiert?” Gesagt, getan — und in den ersten Monaten verkauften wir tatsächlich tausende Exemplare über diese Plattform! Als wir dann beschlossen ein Album aufzunehmen, waren wir der Meinung, dass nicht jeder über Internet verfügt oder bei Ebay einkauft. Jetzt haben wir unser eigenes Label und können demzufolge auch den Vertrieb um einiges größer aufziehen, als das damals noch möglich war. Das neue Album wird zwar auch über Ebay erhältlich sein, aber ebenfalls über Downloadportale wie Itunes, Internetshops wie Amazon und natürlich auch in den guten alten Musikgeschäften. Wenn man Musik macht, will man möglichst viele Leute erreichen. Deshalb sind wir diesen weiteren Schritt gegangen, wir haben noch einiges vor mit Onetwo.

FELIX (GO): Wie wichtig sind moderne Kommunikationstechnologien wie das Internet für eine relative kleine Band wie Onetwo? Erleichtert es vieles, wenn man die Möglichkeit hat, seine Songs in Downloadshops oder auf der eigenen My Space Website bereit zu stellen? Oder besteht eher die Gefahr, in der grenzenlosen Auswahl verfügbarer Musik verloren zu gehen?

PH: Beides trifft definitiv zu. Das Internet macht viele Sachen einfacher, aber man kann auch leicht in der Masse untergehen. Der Vorteil für Claudia und mich ist dabei sicherlich, dass wir bereits einen Namen und eine Geschichte durch unsere früheren Bands OMD und Propaganda haben. Viele Leute suchen nach uns im Internet, und das ist einfach fantastisch, man kann uns und unsere Musik so leicht finden! Wir hoffen natürlich auch gleichzeitig darauf, dass viele Fans unserer alten Bands dadurch auf uns aufmerksam werden.

FELIX (GO): Das neue Album enthält mit „Cloud 9" und „Signals” auch zwei Songs der „Item” EP. Haben sie eine starke persönliche Bedeutung für dich? Oder sind sie deiner Meinung nach so etwas wie die Vorzeigestücke von Onetwo und du wolltest sie deshalb einem größeren Publikum zugänglich machen?

PH: Ja, das sind schon unsere Lieblingslieder von der EP. Aber bei „Signals” haben wir uns dazu entschieden, von befreundeten Musikern ein paar Remixe machen zu lassen, die sich wirklich toll angehört haben. Die Version von „Signals”, die auf dem Album erscheint, unterscheidet sich daher deutlich von der auf Item. Und „Cloud 9" ist natürlich aufgrund der Zusammenarbeit mit Martin Gore etwas ganz besonderes für uns.

FELIX (GO): In den letzten zwei Jahren seid ihr in vielen Ländern Live aufgetreten. Was waren deine Eindrücke insbesondere vom Wave-Gotik-Treffen 2006 und den drei Shows in Südamerika im November?

PH: Beides waren großartige Erfahrungen. Beim WGT dachten wir: „Okay, ein Gothic-Festival, wie passen wir da wohl rein?” Aber viele Goths stehen auf elektronische Musik, ich hörte z. B. das The Human League dort auch schon spielten. Wir wussten zwar nicht so recht, was uns dort erwartet, aber wir waren sehr glücklich über die positiven Publikumsreaktionen. Als sie realisierten wer wir waren lief es sehr gut. Wir fingen mit Onetwo-Songs an und spielten dann ein paar Stücke von OMD und Propaganda. Und plötzlich fiel den Leuten auf: „Ah, der eine Typ ist von der Band und die Sängerin von der anderen.” Als wir diesen Zusammenhang herstellten, lief es großartig!

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Mit Südamerika betraten wir auch unbekanntes Terrain — weder OMD noch Propaganda haben jemals dort gespielt. Ein dort ansässiger Veranstalter, mit dem ich seit Jahren in Kontakt stehe, hat uns schon mehrmals gefragt, ob wir nicht mal für ein paar Shows vorbeikommen wollen. Nachdem dann feststand, dass der Album-Release auf Februar verschoben wird, sagten wir spontan zu. Wirklich unglaublich war dort, dass wir kaum Karten im Vorverkauf an den Mann brachten. Aber wir erfuhren, dass das daran lag, dass es dort sehr viele korrupte Veranstalter gibt, die Konzerte ankündigen, die niemals stattfinden und dann mit dem Geld abhauen. Also läuft es so ab, dass man am Tag der Show öffentlichen in Erscheinung tritt, wie beispielsweise in einem Radiosender oder zu einer Autogrammstunde in einem Plattenladen. Die Radiosender geben dann eine Meldung durch: „Ja, sie sind tatsächlich hier, ihr könnt wirklich zum Konzert kommen.” Letztendlich war die Show sogar fast ausverkauft. Wirklich seltsam, wie die Dinge dort laufen. Äußerst beeindruckend war, dass Propaganda dort so bekannt sind. Wir beendeten unser Set mit dem Propaganda-Song „Duel”und 2000 Leute sangen mit! Das war unglaublich! Es war ein verrücktes Erlebnis und hat sehr viel Spaß gemacht.

FELIX (GO): Habt ihr eigentlich ein festes Live-Line-Up?

PH: Das ändert sich desöfteren. Nach Südamerika nahmen wir das Remix Team „Manhattan Clique” mit, die großartige Musiker und sehr gute Freunde von uns sind und eng mit Künstlern wie Moby zusammenarbeiten. Es macht viel Spaß mit ihnen zu spielen. Wir müssen ihnen aber immer rechtzeitig Bescheid geben, wenn Konzerte anstehen, da sie natürlich auch viele Verpflichtungen haben. Deshalb haben wir noch einen kleinen Kreis von Freunden um uns herum, die uns, sofern sie Zeit haben, unterstützen. Letztendlich hängt es immer sehr von der Verfügbarkeit der Leute ab, wer mit uns auf der Bühne steht.

FELIX (GO): Du hast den direkten Vergleich von Konzerten vor tausenden von Menschen mit OMD und Auftritten in kleineren Clubs mit Onetwo. Was sind Vor- bzw. Nachteile dieser Art von Shows?

PH: Das eine ist gruseliger als das andere (lacht). Vor 15000 Leuten zu spielen, jagt einem schon Respekt ein. Ich habe mich aber nie darum gekümmert, ob ich vor 200 Leuten spiele oder mehreren Tausend, ein Publikum ist ein Publikum. Wenn uns Leute sehen wollen, ist es nicht wichtig wie viele es sind. Von 20 Leuten bis 20000 war in meiner Karriere schon alles dabei. In kleinen Clubs ist die Atmosphäre natürlich intimer. Am Ende meiner OMD Zeit standen wir auf richtig großen Bühnen, aber wir haben immer lieber die kleineren Auftritte absolviert. Denn wenn man auf der Bühne steht, sieht man sowieso nur die ersten 20 Reihen. Also spielt man in dem Moment eigentlich auch nur für die. Es ist also nicht wirklich wichtig, wie groß das Publikum ist. Es ist immer noch am wichtigsten, für die Leute zu spielen. Und wenn man einigen Menschen damit Freude machen kann, spielt es keine Rolle, wie groß das Publikum ist.

FELIX (GO): Wird es im Anschluss an die Veröffentlichung des Albums eine Tour mit Onetwo geben?

PH: Ja, für März ist eine Tour geplant mit Auftritten in Großbritannien, Deutschland und vielleicht eine Show in Paris. Großbritannien und Deutschland sind für uns erprobte Märkte, in denen wir viele Fans haben. Auf die wollen wir uns erstmal konzentrieren, damit Onetwo langsam etwas wachsen kann.

FELIX (GO): Plant ihr die Tätigkeit eures Labels „There(There)” auszuweiten und andere Bands unter Vertrag zu nehmen oder wird es ausschließlich der Ausgangspunkt für Claudias und deine Musik sein?

PH: Nein, wir wollen auf jeden Fall expandieren. Aber wir werden uns auf elektronische Musik konzentrieren und entdecken auch immer wieder interessante Acts auf Myspace, wo man leicht auf Bands mit gleichen Einflüssen und Interessen stößt. Eine wirklich geniale Plattform.

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Wir wollen natürlich ebenfalls befreundeten Bands, die wir schätzen, mit dem Label etwas unter die Arme greifen und ihre Musik über die MySpace Grenzen hinaus verfügbar machen. Aber im Moment hat Onetwo oberste Priorität.

FELIX (GO): Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit Onetwo und dem OMD-Jubiläum nächstes Jahr!

Interview: Felix Wisotzki